„Der Herr ist denen nahe, die verzweifelt sind, und rettet diejenigen, die alle Hoffnung verloren haben.“
Psalm 34,19
Liebe Freunde,
um 6:30 Uhr morgens am 7. Oktober 2023 blickte Yuval Siman Tov vom Tanzboden des Nova-Festivals auf und sah etwas, das er für Feuerwerkskörper hielt, die den Himmel erhellten. Die Musik verstummte, und die Stimme des DJs ertönte aus den Lautsprechern: „Alle auf den Boden!“ Einen Moment lang hofften alle, dass es sich nur um Raketen handelte – dass die Party weitergehen würde, dass der Morgen wieder normal verlaufen würde. Dann rief ein Polizist: „Evakuieren – sofort!“ Chaos breitete sich auf dem Feld aus. Die Menschen rannten in alle Richtungen, stolperten über Matten und Stühle, erstickten im aufgewirbelten Staub und hielten sich an den Händen fest, um nicht auseinandergerissen zu werden. Autos verstopften den Ausgang wie Steine in einem zu schmalen Bach, Motoren heulten, lautes Hupen ertönte, es gab aber keinen Ausweg außer vorwärts.
Yuval und seine Freunde – Tamir am Steuer und Ron auf dem Rücksitz – versuchten es auf einer Nebenstraße, einem schmalen Weg zwischen niedrigen Hügeln. Ein Polizeiauto fuhr langsam vor ihnen her und hielt an. Ein Polizist hämmerte gegen die Wagentür und schrie gegen den Wind: „Terroristen kommen direkt auf euch zu!“ Yuval schrie: „Kehr um!“ Als sie nach Süden abbogen, tauchte der erste Konvoi von Terroristen auf: Motorräder, Geländefahrzeuge, ein Lastwagen mit einem montierten Maschinengewehr. Die Luft war voller Metall. „Wir senkten den Kopf“, sagte Yuval, „und die ersten Kugeln trafen uns.“ Glas zerbarst in Splittern; Hunderte von Kugeln durchlöcherten das Auto. Auf dem Rücksitz stöhnte Ron und hielt sich den Bauch – „Leute, ich sterbe.“
Die Schüsse verstummten. Tamir versuchte, das Auto wieder zu starten, aber der Motor sprang nicht an. Ihre Herzen fühlten sich wie Steine an. Sie mussten rennen. Yuval sprang aus dem Auto, eine sekundenlang war es still, dann ertönte wieder das Knallen weiterer Schüsse. Wie gelähmt sah er Ron sterben. Die Terroristen drehten und schossen auf die nächsten Autos, die vom Süden nachrückten. Yuval packte Tamirs Hand. „Lauf. Lauf, lauf!“
Schließlich ließ er sich in einem Gebüsch auf den Bauch fallen, das Gesicht auf dem Boden und stellte sich tot. Zwanzig Minuten lang wagte er nicht einmal zu blinzeln. Er sah, wie Autos zerquetscht wurden und in Rauch aufgingen. Er sah, wie Menschen aus ihren Sitzen gezogen und erschossen wurden und er sah ihre letzten Zuckungen. Ein Schütze trat aus den Bäumen hervor und richtete seine Waffe aus fünfzig Metern Entfernung auf Yuval, dann rief ihn eine Stimme zurück. Er senkte den Lauf seines Gewehrs und entfernte sich.
Da spürte Yuval einen brennenden Schmerz in seinem Rücken. Er zog sein Sweatshirt aus – es war blutgetränkt. Zwei Löcher durchlöcherten sein Hemd in der Nähe der Wirbelsäule. Benommen und allein dachte er: Wenn ich schon sterben muss, will ich doch zuerst versuchen zu überleben. Er kroch aus seinem Versteck, stand dann irgendwie auf und lief los. Auf einem Feldweg tauchte ein Jeep auf. Er hob die Hände, halbnackt und blutend, drehte sich um und zeigte seinen Rücken. Der Fahrer wurde langsamer, fuhr dann weiter – er hielt Yuval für eine Bedrohung, Yuval dachte dasselbe von ihm. „Bitte rette mich!“, schrie Yuval. Der Fahrer stieg aus, richtete seine Waffe auf ihn und fragte nach seinem Namen. „Ich bin Yuval, aus Rehovot. Bitte – rette mich.“ Der Mann umkreiste ihn, suchte nach einer Waffe und ließ schließlich Yuval in sein Auto steigen. Kurz darauf brachte er Yuval in einen Schutzbunker am Straßenrand. Das Dröhnen draußen verstummte, die Einsamkeit blieb.
Vierzig Minuten später traf die Rettung ein – ein Bewohner aus dem nahe gelegenen Moshav Yesha, brachte Yuval zu sich nach Hause. Plötzlich, wie durch ein Wunder, leuchtete sein Telefon auf: Tamir rief an. „Ich kann es nicht glauben“, rief er. „Du lebst.“ „Und ich kann nicht glauben, dass du lebst“, antwortete Tamir. Die Freude währte nur einen Augenblick, dann wurde sie von Trauer überschattet: Ron war tot. Im Laufe der nächsten Stunden wurden die Fragen immer brennender: Hätte ich ihn aus dem Auto ziehen sollen? Warum er und nicht ich? Bei Rons Beerdigung hielt Yuval die Hand seines Vaters, der ihn in eine schmerzhafte Umarmung zu sich zog. „Es hätte niemandem etwas geholfen“, flüsterte er, „wenn statt zwei Personen nun gar keine da wären.“
Schuldgefühle versuchten ihn zu vernichten. Yuval ließ sie nicht aufkommen. Schon vor dem 7. Oktober hatte er eine kleine gemeinnützige Organisation gegründet, die junge Menschen mit älteren Israelis – insbesondere Holocaust-Überlebenden – zusammenbrachte. Diese älteren Menschen waren zurückgelassen, durch lange Monate der COVID Erkrankung einsam geworden, ihre Blicke voller Trauer darüber, dass niemand sie wahrnahm. Nach dem Massaker näherte er sich ihnen noch mehr. Er saß da und hörte Geschichten, die niemand sonst ertragen hätte, brachten ihnen, was sie brauchten und, mehr noch, schenkte ihnen Zeit. „Wir alle haben vor unseren Augen Morde erlebt“, sagte er. „Hass und Wut, Vernachlässigung: Wir müssen zusammenhalten.“ Ihnen zu dienen gab ihm Halt. Ihr Durchhaltevermögen half ihm, wieder frei zu atmen.
Weil Freunde wie Ihr sich weigerten, wegzuschauen, konnte Vision für Israel Yuval in den folgenden Monaten zur Seite stehen. Eure Großzügigkeit half uns, ihm ein Stipendium zu gewähren, damit er sein Studium fortsetzen konnte – ein Schritt in Richtung der Zukunft, die er beinahe verloren hätte.
Wenn ihr euch dazu berufen fühlen, helft uns bitte, mehr Überlebende und Studenten wie Yuval mit Stipendien, Traumabehandlung und praktischer Hilfe zu unterstützen. Spendet noch heute für Vision für Israel – Eure Spende wird dazu beitragen, neues Leben an verbrannten Orten zu säen. Vielen Dank, dass Ihr den Untröstlichen in Israel Zuflucht bietet.
Chag Sameach und vielen Dank, dass Ihr denen, die in Israel verzweifelt sind, Zuflucht bietet.
Am Yisrael Chai!
Barry & Batya



